Rein äußerlich gleichen sich Podcasts aufs Haar: Ein Playbutton auf dem Handy oder dem PC. Doch dahinter versteckt sich eine inhaltliche Varianz, die das Radio oft vor Neid erblassen lässt. Kreative Formatvielfalt ist zum Markenzeichen von Podcasts geworden. Und beschäftigt uns im zweiten Teil unserer Analyse von Podcasts als Alltags-Soundtrack.
Der Radiowecker aus dem Film Und täglich grüßt das Murmeltier ist schon fast zur Legende geworden. Er spielt jeden Morgen I got you babe von Sonny und Cher. Ein gutes Lied, das dem, in einer Zeitspirale feststeckenden Bill Murray, aber mit allmorgendlicher Routine bald gehörig auf die Nerven geht. Verständlich, denn obwohl für viele der Tag mit Radio oder Kopfhörern im Ohr beginnt: Immer das gleiche möchte niemand hören!
Im ersten Teil unserer Serie haben wir Podcasts als einen großen Game-Changer der Medienlandschaft vorgestellt. Nun soll das beleuchtet werden, was den Podcast inhaltlich so groß gemacht hat: Die Stärke und Vielfalt seiner Formate und welche Inhalte man damit wie vermitteln kann. Denn starre Form und Wiederholung führen sowohl bei der Morgenroutine als auch beim Medienkonsum langsam aber sicher zur Ermüdung. Doch anders als im Film müssen wir nicht jeden Morgen dasselbe Lied hören...
Nur eines steht bei einem Podcast schon von Anfang an fest: es geht um Audio-Inhalte. So weit so offensichtlich. Doch alles darüber hinaus ist eine konzeptuelle Entscheidung. Denn die Entscheidung, welche Inhalte wie präsentiert werden, ist eine Grundsatzfrage und legt fundamental die Zukunft und aktuelle Qualität des Podcasts fest. Zwei Denkanstöße sollte jeder beachten, der einen Podcast auf den Weg bringen möchte:
Der Leitsatz, der vor allem bei Produktdesign und Architektur häufig zur Sprache kommt, wurde inzwischen auf zahlreiche andere Bereiche angewendet. In diesem Kontext heißt das: Das Format eines Podcasts richtet sich nach dem Ziel, das er verfolgt. Wie dieses aussieht, ist dabei sehr individuell. Reine Information, Unterhaltung, Interaktion mit Zuhörerinnen oder Subscriptions unter einem Blog. Die gewählte Kommunikationsart muss sich dem Ziel anpassen. Beispielsweise könnte bei einem kurzen News-Update über die Geschehnisse in einer Branche ein Talk mit drei Personen nur Verwirrung stiften, während ein kurz vorgetragener News-Flash genügen sollte. Denn jedes Format setzt seinen eigenen Fokus und macht gewisse Inhalte schwieriger oder leichter übermittelbar, je nachdem eben, wo es seinen Fokus setzt. Doch wer nur auf das Endresultat schielt, verliert etwas wichtiges aus dem Auge:
Das Begriffspaar hat die moderne Kunst und Literatur nachhaltig geprägt und erinnernt an endlose Litaneien im Deutschunterricht, dabei ist das Konzept nicht allzu schwierig. Denn bei einem guten Kunstwerk kommt es auf die Einheit von Form oder Struktur und kreativem Inhalt an. Selbst wenn also beispielsweise mein Solo-Vortrag viele Seiten eines Themas abgedeckt hat, steht zur Überlegung, ob dies in einem Talk-Format durch die übrigen Teilnehmer nicht ganz automatisch passiert wäre. Eine Geschichte erzählt sich niemals nur durch ihren Inhalt, ihr Rahmen hat immer ein Wörtchen mitzureden, ob man das nun aktiv merkt oder nicht. Neben der Darstellungsform, also Talk oder Hörspiel, spielt schon die Situation des Podcasts an sich eine Rolle. Der große Vorteil des Podcasts ist seine Einbettung in den Alltag. Sollte ich das nicht bei der Konzeption berücksichtigen?
Die Entscheidung für ein Podcast-Format lässt sich also nicht danach treffen, was gerade besonders im Trend liegt oder „immer schon so gemacht wurde”. Vielmehr müssen Inhalt und Format eine perfekte Symbiose eingehen. Oder besser: den perfekten Zweiklang finden.
Wir stellen nun die Top 5 der interessantesten und prominentesten Podcast-Formate vor. Welche Stärken und Schwächen haben sie? Wen spreche ich an? Und wie schaffe ich am besten die Möglichkeit für Interaktion?
Warum erreiche ich meine Zielgruppe?
Keiner hat mehr die Zeit oder Disziplin, sich pünktlich vor den Radio und oder den Fernseher zu setzen, statt Regelmäßigkeit und Routine sind nun ständige Abrufbarkeit und Flexibilität gefragt. Doch es muss nicht immer die Aufarbeitung des Weltgeschehens sein. Ein Wochenüberblick über die Neuigkeiten einer bestimmten Branche kann für die richtige Zielgruppe Gold wert sein. Nur weil das Umfeld spezifisch ist, kann Aktualität trotzdem eine große Rolle spielen.
Warum erreiche ich meine Zielgruppe?
Das Dialogformat an sich setzt auf die Expertisen, Meinungen und Biographien seiner Charaktere. Mit guter und intensiver Vorbereitung gelingen Gespräche sogar mit Menschen, die noch nie hinter einem Mikrofon standen. Und eine Prise Authentizität ist damit auch gesichert. Noch dazu kann ein Gast ab einem gewissen Bekanntheitsgrad auch bei der Vermarktung des eigenen Podcasts helfen, bevor er oder sie den Mund überhaupt geöffnet hat.
Warum erreiche ich meine Zielgruppe?
In seinem Buch „Podcasts in der Unternehmenskommunikation” analysiert Autor und Media-Berater Stephan Schreyer auch Podcast-Formate. Er stellt fest, dass die meisten Podcasts mit bereits bekannten Personen arbeiten, Medienerfahrung inkludiert. Podcasts seien dann oft eine „Verlängerung der Person bzw. Marke durch ein Audio-Angebot.” Der sogenannte „Laber Podcast” ist ein exzellentes Beispiel dafür, stehen hier doch die Moderatorinnen im Zentrum, die hauptsächlich durch ihre Persönlichkeit für Atmosphäre sorgen. Jedes Thema und jeder Stil ist recht, hauptsache unterhaltsam und manchmal auch lehrreich.
Warum erreiche ich meine Zielgruppe?
Experte zu werden war noch nie so einfach! Denn wo der Bibliotheksausweis ohnehin unauffindbar in der Ecke verstaubt, kann man auch einfach zum Smartphone greifen. Im Mediengenre Podcast hat sich ein bemerkenswert vielfältiges und inhaltlich hochwertiges Angebot an Wissens- und Themencasts gesammelt. Das geschieht fast immer im Dialog mit zwei oder mehr Personen, oft auch mit Interviews, kurzen Einspielern und Nachrichtenüberblicken. In einem immer stärker konkurrierenden Markt kann ein gutes Thema allein schon zum USP werden. Deswegen: Mut zur Nische und rein ins Thema!
Warum erreiche ich meine Zielgruppe?
Fiction-Podcasts setzen ganz auf Immersion. Ihre Ursprünge liegen im klassischen Hörspiel, das sicherlich kein neues Phänomen ist. Doch das episodenartige Erzählen und die Verfügbarkeit auf dem Smartphone haben die Möglichkeiten erweitert. Cliffhanger können am Ende Spannung für die nächste Folge erzeugen und auch die Einbindung in den Alltag kann kreativ verarbeitet werden. Artistisch ist hier nahezu alles möglich, dabei steigt allerdings der technische Aufwand.
Das Format ist das Content-Korsett, das die inhaltliche Entwicklung vorausbestimmt. Bei der Konzeption gilt es also, Struktur und Inhalt konsequent zusammenzudenken und aufeinander abzustimmen. Zentral ist allerdings auch die Ausrichtung auf die Zielgruppe und wie man seinen Podcast verbreiten möchte. Tipps, wie man mithilfe von Personas ein Zielpublikum definiert, gibt es hier. Die Frage ist: Geht es meiner Audience vor allem um inhaltliche Dichte, sodass ich auf progressive Darstellung weniger Acht geben muss? Oder steht Unterhaltung im Mittelpunkt und ziele ich eher auf Atmosphäre und gute Assoziation? Dieser Guide sollte dafür die wichtigsten Fragen beantwortet haben. Und einen letzten Tipp gibt es noch:
Formen sind dazu gemacht, um aus ihnen auszubrechen, Grenzen werden gezogen, um sie zu überschreiten. Das Medium Podcast ist noch vergleichsweise jung und ist nur durch neue Ideen zum Massenerfolg geworden. Podcast-Shows sind schon ihrer Definition nach ein Genremix, mit den besten Elementen aus Hörspiel, Radio, TV und Journalismus. Und auch die Grenzen von Podcast-Formaten verlaufen fließend. War deswegen all die Format-Definition umsonst? Nein, natürlich nicht. Denn um die Grenzen auszutesten, muss man die Grundlagen kennen. Erfolg hat nur, wer sich inspirieren lässt. Und alle Ideen werden für den abwechslungsreichsten Soundtrack des Alltags gebraucht. Denn jeden Tag I got you babe würde nicht nur Bill Murray auf die Nerven gehen.
Im dritten Track unseres „Soundtrack des Alltags” haben wir einen Podcast-Experten von seinem Mikrofon weggeholt, um ihn für ein Interview ein paar Fragen zu stellen.