Track 4: „Just press record?”

| 26. Mai 2020 | Content Management & Creation | Lesedauer: 7 Minuten

Podcast Serie Teil 4

Unsere Vorstellung übers Podcasten reicht meistens nur bis zu Mikrofonen und Kopfhörern. Doch in Wirklichkeit stecken in diesem Medium viel mehr technische Finessen, als man ahnt und hört. Im vierten Teil unserer Serie geht es um die Dinge, die vor und nach der Aufnahme passieren. Und den Podcast zu einem Paradebeispiel für moderne Medienerstellung machen.

Die Skip-Taste für schnell Lesende:

  1. Was ist eigentlich ein Podcast?
  2. Welche Plattformen gibt es und welche davon sollte ich bespielen? 
  3. Wie messe ich den Erfolg meiner Podcasts? 

Gute Musikalben haben die Eigenheit, dass man sich in ihnen komplett verlieren kann. Hat man die ersten guten Melodien herausgehört, ist alles um einen herum vergessen und die Musik nimmt den Alltag völlig ein. Da bleibt kein Platz, sich über das Zusammenwirken der einzelnen Instrumente, die Aufnahmesituation, den kommerziellen Erfolg des Albums oder andere Details Gedanken zu machen. Erst später, wenn die erste Begeisterung abgeflaut ist, kann man die Musik noch einmal neu beurteilen und sieht ein, dass es die perfekte Mischung aus Details war, die das Album so großartig hat werden lassen. Und so zum idealen Soundtrack des Alltags. 

Auf der (Audio-)Spur des Erfolgs

Bei Podcasts stellt sich diese Frage umso dringlicher. Denn ihre dynamische Einbettung in den Tagesablauf macht sie häufig zu „Nebenbei-Produkten”, für deren Analyse oft keine Zeit bleibt. Noch dazu erfahren sie weniger kulturelle Aufmerksamkeit. Die Produktion von Musik und Büchern hat zahlreiche andere Künstler inspiriert, Podcasts dagegen werden gehört und verschwinden danach im virtuellen Papierkorb. Was ist ein Podcast genau? Welche Rolle spielt die Plattform, auf der er ausgespielt wird? Und wie messe ich überhaupt, ob mein Podcast erfolgreich ist? Mit den Antworten möchten wir das Medium Podcast greifbarer machen. Denn nur wer sein Umfeld versteht, hat gute Chancen, es zu meistern.

Quizfrage: Was ist eigentlich ein Podcast? 

Wie unter anderem im ersten Teil der Serie zu sehen war, ist das Wort „Podcast” immer mehr Menschen ein Begriff. Meist assoziiert man damit Audiodateien, die übers Internet abonniert, gedownloadet und konsumiert werden können. Wichtig ist, dass dies on-demand, also auf Abruf und außerhalb fest vorgegebener Zeiten möglich sein muss – anders eben als bei Fernsehsendungen oder Radioshows –  und dass die Inhalte in Serie veröffentlicht werden und nicht als Einzelstücke. Das sind Prinzipien, die auf jeden Podcast zutreffen. 

Wie in der Bibel beginnt alles mit dem Wort, in diesem Fall mit der Aufnahme. Ist diese im Kasten, kann die Audiodatei in einen RSS-Feed eingespeist werden, der den  Grundstein für alle weiteren Schritte legt. Der Feed macht Abrufbarkeit und Serie, die Kernkompetenzen des Podcasts, erst möglich. Als letztes braucht er noch eine Plattform, auf der er abonniert und abgerufen werden kann. Und hier kommt ein Anbieter ins Spiel, der seit Anbeginn des Erfolgs dem Podcast treu zur Seite steht: Apple mit iTunes.

Plattformen: Wo gibt es mich? 

Denn die Bedeutung, die Apple für das Audioformat als Gesamtes spielt, lässt sich kaum unterschätzen. Nicht nur gab die Firma mit ihrem Massenprodukt, dem iPod, dem neuen Medium seinen Namen (plus der hintere Teil des englischen „Broadcasting”), sie schaffte mit iTunes bzw. Apple Podcast eine zentrale Plattform zum Up- und Download neuer Folgen. Und diese besteht bis heute. Denn auch wenn inzwischen viele andere Plattformen zum Podcast-Hören benutzt werden: die Mehrzahl greift immer auf den Feed zurück, der bei Apple hinterlegt wurde. Und das kostenlos und ohne größere Einschränkungen bei Inhalt und Technik. An Apple Podcasts führt also kein Weg vorbei. Das heißt aber nicht, dass die Verbreitungsarbeit dann vorbei ist. Denn mit der Zeit haben auch andere Plattformen an Bedeutung gewonnen. Die relevantesten stellen wir hier vor: 

Google Podcast

Google hat inzwischen eine komplette digitale Infrastruktur erschaffen, ohne mindesten einen ihrer Services kommt keiner mehr aus. In Europa wird der Podcast-Service des Milliardenunternehmens noch weniger genutzt, gewinnt aber zunehmend an Bedeutung. Und vor allem, um über Suchmaschinen besser gefunden zu werden, lohnt sich das Eintragen des eigenen Podcasts auf dieser Seite enorm. Warum die gute Online-Vernetzung von Content so wichtig ist, steht übrigens hier

Spotify

Das schwedische Unternehmen ist am derzeitigen Podcast-Boom mitverantwortlich. Für viele Hörerinnen und Hörer dürfte Spotify als zentrale Plattform dienen, schließlich spart man sich so den Wechsel von App zu App. Und das obwohl Podcast-Puristen und -Nostalgiker bei dem Anbieter oft die Nase rümpfen: Schließlich widerspricht Spotify mit seinem Fokus auf Exklusivität und einer von außen abgeschlossenen kostenpflichtigen Plattform dem anarchischen Grundgedanken von Podcasts. Denn auf die Inhalte von Spotify kann man von außen weder ohne Konto zugreifen, noch diese in den eigenen Player einbetten. Doch wer kann sich den Luxus leisten, auf 96 Millionen zahlende Nutzer (Zahl 2018, Tendenz steigend) zu verzichten und eine der zukunftsträchtigsten Plattformen den Rücken zuzukehren? Die Konkurrenz ist für neue Anbieter natürlich riesig, doch so richtig wird kein Podcaster mehr an der Plattform vorbeikommen können. 

Deezer

14 Millionen User zählt das französische Unternehmen und ist damit deutlich kleiner als seine Mitkonkurrenten wie Apple Music/Podcast oder Spotify. Und dennoch ist der Anbieter reizvoll, denn er setzt auf eine andere Taktik: Individualisierung. Denn während Spotify vor allem auf Werbung für nicht-zahlende Kundschaft setzt, generiert Deezer seinen Umsatz zu 90 % aus Abonnements und baut damit stärker auf das eigene Ökosystem. Das kleinere, aber sehr aktive, abgeschlossene System könnte die Plattform vor allem für Podcaster interessant machen, deren Fokus die Nische ist. 

Stitcher

Musik sucht man hier vergeblich. Der über App und Website nutzbare Service hat sich gänzlich auf Podcasts und News fokussiert und ist so zur Insel für Radio und on-demand Shows geworden. Stitcher ist kostenlos und konnte so, vor allem beim Thema Podcast, zum nennenswerten Player neben Konkurrenten wie Amazon und Spotify werden. Interessant vor allem für englischen Content und Nachrichten-affines Publikum.

Podimo/Luminary

Diese beiden Anbieter stehen stellvertretend für den Gesamtmarkt von Podcasts, der noch längst nicht zur Ruhe gekommen ist und stark umkämpft ist. Viele neue Plattformen streiten noch um neu entstehende Zielgruppen, viele experimentieren mit Abonnement-Modellen à la Spotify. Das dänische Startup Podimo, das erst im November in Deutschland startete, bezeichnet sich selbst als „Netflix für Podcasts” und setzt auf eine Mischung aus nicht-exklusiven und kostenfreien Inhalten sowie Content, der nur gegen eine monatliche Gebühr zu hören ist. Luminary, dieses Mal ein amerikanisches Startup, geht einen ähnlichen Weg, kann aber bei Exklusiv-Inhalten deutlich größer auffahren: Late-Night-Host Trevor Noah und Girls-Macherin Lena Dunham sind mit ihren Shows nur auf Luminary vertreten. Wie erfolgreich beide Anbieter mit ihren teils aggressiven Launches sein werden, ist schwer abzuschätzen. 

Und jetzt? 

Theoretisch wäre mit dem Erstellen eines RSS-feeds und der Einbettung in iTunes die Arbeit getan. Doch so einfach – und das zeigt schon diese kurze Plattformübersicht – ist es nicht. Der Podcast-Markt ist noch vergleichsweise jung, um seine Zukunft wird kräftig rivalisiert. Das macht eine klare Antwort auf die Frage, welche Plattformen für Podcast-Verbreitung unverzichtbar sind, auch so schwierig. Ist, wie beispielsweise im Content Marketing, ein eher breiterer Appeal das Ziel, scheint die Fixierung auf eine Plattform weniger sinnvoll. Letztlich gilt: Auf das Ziel kommt es an! Exklusivität kann für ein kleines, aber sehr responsives Auditorium sorgen. Breite Streuung auf mehreren Plattformen eher für starke Massenverbreitung. Format und Zielvorgabe sind bei dieser Entscheidung ausschlaggebend. Doch eine Plattform ist ohne jeden Zweifel nötig: die eigene.

Website

Schon die große Konkurrenz im Podcast-Sektor macht die Fokussierung auf nur ein Medium unrentabel. Denn Podcast funktionieren am besten in einem bereits bestehenden Mediensystem, das Vernetzungen untereinander zulässt. Egal wo ein Podcast zusätzlich zu finden ist: Er sollte immer auch auf der eigenen Website funktionieren und gehört werden können. 

Das hat 3 einfache Gründe: 

  • Der Geist des Podcastens: Die Technik hinter Podcasts macht ihre Verbreitung an verschiedenen Orten extrem einfach möglich, das sollte man nutzen. Ein eigener Player ist ohne große technische Hürden integrierbar. Podcasts gab es schon, bevor die großen Plattformen kamen. Das muss man ausnutzen!
  • Content führt zu noch mehr Content: Nur mit dem gesprochenem Inhalt darf sich Content-Produktion nicht zufrieden geben! Ein weiterführendes Video, ein Blogeintrag, eine Kommentarfunktion, ein Call-to-Action, eine mögliche Subscription. In der Spotify App weit weg, auf der eigenen Homepage nur einen Klick entfernt.
  • Dem Gehör nach: Wem es, wie beim Content Marketing, nicht nur um inhaltlichen Mehrwert, sondern auch um Anbindung und Zuhörer-Aktivierung geht, kann sich nicht nur mit Starten und Beenden seines Podcasts zufrieden geben. Leads generieren fängt mit dem gesprochenen Inhalt an und endet vorläufig mit der Kontaktaufnahme. Und wo wäre das besser möglich als auf der Homepage? 

Warum man Erfolg (nicht) messen kann   

Bücher haben Verkaufszahlen auf dem Buchmarkt, Erfolg  von Musik wird durch verkaufter Tonträger und Downloads bestimmt, Filme messen sich durch Umsätze an der Kinokasse und DVD-Verkäufe. Podcasts haben für ihre Messung des Erfolgs oder Misserfolgs: Nichts. Nun ja, fast nichts. Doch wo andere Medien ihre Performance auf belastbare Messinstrumente stützen können, bleibt Podcasts dafür oft nur die Glaskugel. Der Grund: die Plattformen lassen sich ungern in die Karten schauen und behalten genaue Statistiken für sich. Fest & Flauschig mit Olli Schulz und Jan Böhmermann ist der erfolgreichste Podcast weltweit. Woher wir das wissen? Nur von Spotify selbst. Ohne die Angabe genauer Abo- oder Aufrufzahlen. Und auch die iTunes Charts geben den Erfolg einer Show nur sehr intransparent wieder. Ein echtes Dilemma sowohl für die Podcaster selbst, als auch die Analyse. 

Somit bleibt jedem Anbieter ein einziger belastbarer Richtwert, der ohne weitere Umstände abzulesen ist: die Zahl der Downloads. Doch auch diese Zahl gibt nur vage den Erfolg eines Podcasts an. Schließlich muss eine gedownloadete Folge noch lange nicht gehört worden sein. Ist es also völlig unmöglich, den Erfolg des eigenen Podcast und somit auch der eigenen Bemühungen adäquat und aussagekräftig zu bestimmen? Nein, denn:

…die Zeiten ändern sich: Die Anbieter haben den Ruf der Podcasterinnen vernommen, Spotify stellte den Produzierenden 2019 zum ersten Mal zumindest Statistiken zur Verfügung. Neue Anbieter versprechen, genauere Tools bereitzustellen.

...es gibt externe Hilfe: Seiten wie Podbean, Podtrac oder Anchor generieren teilweise gratis Daten über die Performance eines Podcasts. Auch detaillierte KPIs lassen sich so abfragen.

…Hörerzahlen sind nicht alles: Interaktionen, Subscriptions, Reaktionen in Form von Kommentaren. Auch Medien, die man selbst in der Hand hat, lassen Aussagen über die Verbreitung eines Podcasts zu. 

Was ist Erfolg? 

Die Antwort ist, dass diese Frage nur individuell zu beantworten ist. Denn wenn Erfolg nur heißt, der neue virale Podcast zu sein, muss die Zielsetzung noch einmal überdacht werden. Denn ein Format muss zuerst einmal den eigenen Ansprüchen gerecht werden, bevor es am großen Markt gemessen wird. Anstelle den großen Massen-Appeal erreichen zu wollen, sollte man sich vielmehr andere Fragen stellen: 

Erreiche ich meine Zielgruppe? Hört die anvisierte Audience meine Inhalte und werden die richtigen Menschen erreicht, ist das ein untrügliches Zeichen für Erfolg. 

Erhalte ich Reaktionen? Ein kleines aber dafür reaktionsfreudiges und responsives Auditorium ist oft mehr wert als eine stummes. Außerdem macht der Aufwand dann mehr Spaß, schon bei wenigen Antworten

Was bleibt? Je nach Zielsetzung, kann ich Podcast-Erfolg auch mit externen Faktoren messen. Wie hoch ist die Conversion-Rate in Blog-Abonnements? Wie viele sind auf meiner Homepage geblieben? Wie viele Follower habe ich auf Social Media dazugewonnen? 

Podcasts: Viel mehr als Start und Stop

Wer nur einmal hinter einem Mikrofon sitzen wollte, der kann Sprachmemos aufnehmen. Denn Podcasting ist um einiges mehr als das. Die Frage, auf welcher Plattform man man mit seinen Inhalten erscheinen will, ist eine taktische und nicht so einfach zu beantwortende Grundüberlegung, die in jedes Konzept von Anfang an mit einfließen sollte. Denn sie muss zur spezifischen Zielsetzung passen und kann unter Umständen sogar den Inhalt beeinflussen. Doch auch wenn das erledigt ist, ist der Prozess nicht vorbei. Für die Auswertung eines Podcasts braucht es Grundkenntnisse über KPIs und ein wenig interpretatorisches Feingefühl. Das klingt nach viel Arbeit.

Ist es auch! Doch es ist anders als in der Schule: Beim Podcasten zahlt sich technisches und theoretisches Wissen sofort aus! Und im nächsten Teil der Serie gibt es einen exklusiven Blick über die Schulter der Podcast-Produktion von Content Glory...

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