#04 | Compliance und Adherence

In Episode 4 des Podcasts mit René Neubach und Dominik Flener sind die Themen Compliance und Adherence im Fokus - Im Interview mit Gerhard Feilmayr, Geschäftsführer der Adliance GmbH.

Transkript:

Intro: R&D on Patients, der Podcast mit René Neubach und Dominik Flener über digitales Marketing und Kommunikation im Healthcare Bereich mit dem Patienten im Fokus.

René Neubach: Hallo und herzlich willkommen bei R&D on Patients, Ausgabe Nummer vier!

Dominik Flener: Ja, mein Name ist Dominik Flener.

René Neubach: Mein Name ist René Neubach. Wir beschäftigen uns sehr stark mit der Patientenzentriertheit. Und da ist natürlich ein, bzw. gibt es zwei Themen, um die man da nicht herumkommt. Und das sind die Themen Compliance und Adherence. Und aus diesem Grund haben wir uns heute einen Gast eingeladen, der uns ein bisschen mehr zu diesem Thema erzählen kann.

Dominik Flener: Ja und für alle, die sich jetzt schon fürchten, bei der Compliance geht es nicht um unternehmensinterne Compliance, sondern um Patienten Compliance. Und ich freue mich sehr, dass heute Gerhard Feilmeier bei uns ist. Geschäftsführer und Eigentümer der Adliance GmbH und da stecken eigentlich unsere Themen schon im Firmennamen, nämlich die Adherence und die Compliance fusioniert in dem Firmennamen Adliance. Gerhard, herzlich willkommen bei uns!

Gerhard Feilmayr: Hallo!

Dominik Flener: Ja, bleiben wir vielleicht gleich bei den Begrifflichkeiten. Wir sehen ja in den Gesprächen mit allen beteiligten Partnern, dass wir immer eine bunte Mischung haben. Da wird Compliance und Adherence durcheinandergewürfelt. Kannst du uns vielleicht noch einmal hier eine Definition aus deiner Sicht geben, was ist jetzt genau die Compliance / Patienten Compliance und Adherence?

Gerhard Feilmayr: Völlig richtig Dominik! Wichtig in diesen Themen ist es, die beiden Begrifflichkeiten strikt voneinander zu trennen und zu definieren. Der in der Medizin gebräuchliche Begriff der Compliance spricht den Umstand an, dass für die Heilung der Krankheit ein kooperatives Verhalten des Patienten vorausgesetzt wird. Therapietreu im Sinne von Compliance meint also, dass der Patient tut, was der Arzt von ihm verlangt. Im Gegenzug, dem gegenüberstehend, die Begrifflichkeit Adherence, die aktive Zusammenarbeit von Arzt und Patient im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung und Therapiezielvereinbarung im Vordergrund. Das heißt, die aktiv erfragte Patientenmeinung wird bei der Behandlungsplanung mitberücksichtigt. Und das ist der wesentliche Punkt. Weil Arzt und Patient sich gemeinsam Ziele setzen und dann in der Therapie mitverfolgt und überwacht werden sollen.

Dominik Flener: Gut, das heißt, wenn ich es jetzt ganz einfach zusammenfasse, Compliance ist ein bisschen eine Diktatur, wo ich sage: „Du Patient, mach das!" Und Adherence ist ein bisschen Demokratie, zumindest so, wie wir sie uns wünschen? Ja, dass beide Seiten gemeinsam entscheiden, was sie vorhaben und dann auch gemeinsam umgesetzt wird?

Gerhard Feilmayr: Genau! Wir sind da sehr stark in der eigenen Motivation bzw. auch in der Motivation mit dem Arzt gemeinsam. Weil wenn ich mir jetzt ein Ziel abstecke, so weit traue ich mich jetzt einmal zu gehen, und wir verfolgen das dann gemeinsam, dann werde ich schneller zum Ziel kommen.

Dominik Flener: Jetzt beschäftigt ihr euch bei Adliance ja mit dem Thema Arzneimittel und Therapiesicherheit, ihr entwickelt Software zu dem Thema. Ist das eine Geschichte, die jetzt ganz neu ist? Oder wie lange bist du eigentlich in dem Thema schon drinnen? Weil ganz so neu ist es ja glaube ich nicht mehr.

Gerhard Feilmayr: Na, für uns als Adliance ist es absolut nicht neu. Warum auch nicht? Das hat ein bisschen einen geschichtlichen Hintergrund. Wir arbeiten 20 Jahre für den Marktführer hier in Europa in der Hypersensibilisierung, im Allergiebereich und dieser Allergiebereich ist ein sehr sensibler Bereich, was die Patienten Compliance generell betrifft. Wir haben uns schon in den späten 90er Jahren damit beschäftigt, weil wir immer das Problem bei dem Allergiepatienten haben, dass eigentlich seine Zeit, wenn man jetzt vom Frühblüher, oder Baumblüher, oder Gräserpollen-Allergiker spricht, hat er eigentlich nur eine ganz kurze Zeit im Jahr, schwere oder mittelschwere Symptome. Den Rest des Jahres ist er völlig symptomfrei. Dem gegenüber steht aber eine dreijährige Therapie. Die war sehr lange nur relativ mühsam, weil eine subkutane Therapie. Das heißt, also dass er alle sechs bis acht Wochen den Facharzt aufsuchen musste und die Therapie dort vollziehen musste. Heute geht es wieder ein bisschen einfacher, weil sehr viele Therapien, also speziell jetzt die Gräser-Therapie und die Hausstaubmilben-Therapie bereits schon über Tablette funktioniert. Und jetzt muss man natürlich verstehen, wenn einer so eine kurze Zeit im Jahr nur Symptome hat, dann soll er so eine langwierige Therapie machen? Das ist sehr schwierig für die Patienten. Und genau aus dem fällt uns ein ganz ein hoher Prozentsatz, man spricht da von bis zu 85% Therapieausfälle während dieser Zeit. Und die wollten wir schon in den späten 90ern, Anfang 2000er über verschiedenste Möglichkeiten abfedern. Das heißt also, unsere Überlegung war eigentlich immer dahingehend, wie können wir den Patienten an seine Therapie erinnern? Also es ist mehr um eine Erinnerungsfunktion und auch um eine Begleitfunktion gegangen. Wie können wir ihm Rezeptbestellungen erleichtern und solche Dinge? So hat das begonnen. Man muss halt dann verstehen, technologisch waren wir ja irgendwo im Web noch ein bisschen in den ersten Kinderschuhen. Und SMS-Dienste und so, das war es so fürs Erste.

Dominik Flener: Das wäre jetzt genau meine Frage gewesen. Weil das, wenn wir heute über Patient usw. sprechen, dann ist ja das Smartphone immer ein ständiger Begleiter bei all diesen Ideen. Wenn ich jetzt Mitte der 90er Jahre hernehme, da kann ich mich noch erinnern, bin ich mit jemandem nebeneinander gesessen und wir haben gesagt: „Du hast eine E-Mail-Adresse, ich habe eine E-Mail-Adresse. Und was machen wir jetzt damit?" Was habt ihr da dann eigentlich noch einmal gemacht? Du hast es kurz angesprochen, SMS-Service. Was waren da so die Ideen, die ganz am Anfang dabei waren?

Gerhard Feilmayr: Wir haben natürlich schon ein bisschen diese Web-Technologie nützen können, zumindest für die Registrierung. Also der Patient hat sich über einen bestimmten Schlüssel, über bestimmte Funktionen einwählen können, anmelden können. Aber dann, diese Erinnerungsfunktionen, die haben wir, also da war E-Mail noch sehr weit entfernt, wie du genau sagst. Aber wir sind dann da eher auf diese Telefondienste übergegangen. Das heißt, Hotline in erster Linie, wo man sich ein bisschen Unterstützung abholen konnte. Aber auch ein bisschen in einer begrenzten Zeit. Aber viel mehr war für uns wichtig, durch den SMS-Service, also diese Einnahme-Rhythmen einzuhalten.

Dominik Flener: Wenn wir uns die Entwicklung anschauen, also von der Reminder-SMS zu Programmen die heute laufen, über Smartphones, Apps und diese ganzen Dinge, haben wir Entwicklungsschritte gehabt, wo ja in meiner Wahrnehmung die Industrie oder jetzt diese Programme immer bestehende Technologien genutzt haben und einfach da mitgegangen sind. Was waren aber aus deiner Sicht die Treiber in den Weiterentwicklungen? Sind das dann intrinsische Motivationen, wo die Unternehmen sagen: „Da müssen wir etwas tun"? Sind es die Payer, die dann sozusagen vom System extern kommen und sagen: „Hey, da müsst ihr etwas machen, damit wir da die Compliance oder die Adherence erhöhen"? Also die Frage ist, wer sind aus deiner Sicht da die Treiber? Sind es Kliniken? Sind es Ärzte? Ist es die Industrie? Wie siehst du da den Zusammenhang, dass solche Programme sich auch weiterentwickelt haben und wir heute vielleicht noch SMS schicken, aber nicht mehr vorrangig SMS schicken?

Gerhard Feilmayr: Naja, das ist jetzt nicht ganz einfach zu beantworten, diese Frage. Wir haben natürlich über die Jahre in der Pharma-Industrie die Erfahrung gemacht, dass viele Programme aus der Industrie heraus gestartet worden sind. Aber aus ganz unterschiedlichen Gründen wieder gescheitert sind, nämlich sehr rasch gescheitert sind. Das kann damit zusammenhängen, dass es sehr schwierig war, dass man derartige Programme über den Arzt in den meisten Fällen zum Patienten kommuniziert hat. Der direkte Weg zum Patienten hat da jetzt nicht ausgereicht oder hat auch in dieser Art und Weise nicht funktioniert. Und jetzt sind sehr viele, aber es sind viele andere Dinge wahrscheinlich auch noch, die bei diesen Anwendungen gescheitert sind. Das fängt also, diese technische Funktionalität, zu komplexe Systeme, die App-Technologie war vielleicht jetzt nicht so durchgreifend, und, und, und. Und somit hat sich, glaube ich, sehr viel auch die Industrie schon von diesem Thema wieder ein bisschen verabschiedet. Wird aber ganz sicher wieder kommen, weil ja wir von der direkten Patientenkommunikation jetzt sprechen. Gerade in der Pharmaindustrie. Und jetzt werden wieder Mittel und Wege gesucht, dass ich Devices, Programme finde, damit mir das gelingt, direkt mit dem Patienten zu sprechen.

Auf der anderen Seite würde ich schon gerne dieses Thema auch noch einmal ein bisschen anders beleuchten. Nämlich aus zwei Richtungen. Die eine Richtung ist natürlich, dass man jetzt das volkswirtschaftliche Thema berücksichtigen muss. Weil wenn ich jetzt noch einmal zurückkehre auf die Therapie, die Allergie-Therapie ist relativ günstig über diese drei Jahre. Aber bei Nicht-Einhalten der Therapie, die Ausprägung dann letztendlich von einem einfachen Heuschnupfen dann irgendwo in einem schweren Asthma landet. Und dann kostet plötzlich die Asthmatherapie 3000€ bis 4000€ im Monat. Also diese volkswirtschaftliche Last, die da jetzt dann daran hängt an diesen vielen Therapieausfällen, da wird wahrscheinlich sehr viel Governance-Druck kommen, wo man sagt aus dem Gesundheitssystem: „Wir brauchen jetzt genau diese Systeme, um den Patienten zu halten in der Therapie, zu begleiten in der Therapie, zu motivieren", und was auch immer wir dann da drinnen definieren und wie wir es definieren. Auf der anderen Seite wird auch die Pharmabranche nicht ganz über das Thema drüber kommen, weil natürlich durch große Therapieausfälle, wieder Allergie, wo wir halt sehr bewandert und sehr erfahren sind, wo dann ein extrem hoher Anteil an Patienten in der ersten Phase – also zwischen Rezeptausstellung und Erstpackung-Abholungen in der Apotheke – schon praktisch wieder aus der Therapie fallen. Wo, wie soll dann die Industrie die Umsätze generieren? Also da sind schwere Umsatzverluste drinnen.

Dominik Flener: Bei deinen bisherigen Projekten, die du gemacht hast, wie hast du da das Thema Finanzierung gesehen? Sind das bisher alles Projekte gewesen, wo nur der Industriepartner eigentlich die Kohle in die Hand genommen hat? Oder haben dort Patienten Beteiligungen gehabt? Oder sogar, weil du ja gesagt hast: „Na wir haben eigentlich einen hohen Druck vom Government"? Aber wir, glaube ich, sehen, dass aktuell die noch für diese Programme zwar sagen:  „Ja, es wäre wichtig", aber eigentlich noch kein Geld dafür in die Hand nehmen. Wie hast du das bisher erlebt?

Gerhard Feilmayr: Finanzierung ist ein ganz ein schwieriges Thema. Es ist ein ganz ein leidiges Thema. Weil von der gesundheitspolitischen Seite ist hier absolut nichts zu erwarten. Obwohl diese Notwendigkeit ja ganz klar erkannt wird. Auf der anderen Seite, also die Finanzierung funktioniert ja eigentlich aus der heutigen Sicht nur über die Industrie. Und wie weit sich jetzt diese Modelle von Patientenbezahlsystemen dann auch wirklich durchsetzen, wir haben sehr schöne Beispiele, wie z.B. „My Sugar" , wo das sehr gut funktioniert, wo auch der Nutzen für die Patienten ganz klar erkennbar ist, wenn sie diese Applikation da nutzen. Aber sonst ist die Finanzierung also eigentlich die ganz große Krux.

René Neubach: Wenn man sich, du hast gerade ein sehr gutes Beispiel „My Sugar" – über das wir eh auch schon gesprochen haben in einer vorigen Ausgabe – angesprochen. Es geht ja nicht nur um Reminder-Services, nicht? Adherence geht ja weit über das hinaus. Weil die Eigenmotivation ja durch andere Faktoren auch noch angesprochen werden soll. Du hast ja sehr viele Kontakte auch in Kliniken und in der Industrie. Gibt es da Beispiele, die aus dem klinischen Bereich kommen? Oder andere Ideen, die da irgendwie in dem Bereich an dich herangetragen werden?

Gerhard Feilmayr: Du meinst jetzt, welche Funktionalitäten jetzt solche ....

René Neubach: Ja, oder auch inhaltliche Dinge, die eigentlich zur Motivation beitragen können.

Gerhard Feilmayr: Also wir beschäftigen uns ja auf unterschiedlichen Ebenen mit ganz unterschiedlichen Krankheitssystemen, mit Krankheiten an sich. Und man muss natürlich die Krankheiten an sich immer einzeln betrachten. Weil jede Krankheit hat ihre Spezifika. Und ich muss also ganz speziell auf diese Patientengruppe eingehen. Ich nehme da ein Beispiel aus dem Bereich Parkinson, wo wir gemeinsam mit vier Experten hier in Österreich eine Plattform entwickelt haben, mit der Unterstützung auch der Industrie. Und da funktionieren halt solche Dinge, muss man vielleicht vorausschicken, der Parkinson-Patient ist in etwa 55 bis 60 Jahre. Also da beginnt es jetzt dann wirklich gravierend, also sein Leben verändert sich da in dieser Phase sehr gravierend. Und die sind sehr zurückgezogen. Und sie sind unheimlich technisch affin. Und jetzt sind wir genau bei dem Punkt, den ich anfangs angesprochen habe. Ich muss auf diesen Krankheitstyp ganz genau, ganz speziell eingehen. Also für die Parkinson-Kranken haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, dass wir eine sehr große Wiki-Plattform haben, dass wir eine eigene Bibliothek mit wissenschaftlichen oder teil-wissenschaftlichen Publikationen haben, dass wir auch sehr viel spielerische Zugänge haben. Dieses Thema „gamification", was jetzt ganz groß auch kommt, dass wir einen virtuellen Begleiter installiert haben, den Avatar. Weil wir, weil es aus Studien, die die Fachhochschule in Steyr entwickelt oder verfolgt hat. Man ist draufgekommen, dass die Parkinson-Kranken eher lieber mit einem Avatar sprechen als mit einer physischen Person. Wir haben also hier einen Avatar installiert. Und solche Dinge funktionieren sehr gut. Journale, Tagebücher, solche Dinge sind natürlich verpflichtend.

René Neubach: Jetzt kann man sich vorstellen, bei einem Parkinson-Patienten in einem fortgeschrittenen Stadium, dass der jetzt wahrscheinlich nicht mehr so einfach ein Smartphone oder auch einen Computer bedienen kann, eine Maus. Aus deiner Erfahrung heraus, spielen da die Angehörigen wahrscheinlich auch eine sehr starke Rolle und wie schaut da z.B. das Zusammenspiel aus?

Gerhard Feilmayr: Wir beziehen eigentlich bei allen Krankheitsbildern immer das Umfeld mit ein. Das beginnt also im familiären Umfeld und geht aber auch dann in weitere Felder hinein, wie Hilfspersonal oder was auch immer. Was halt sehr wesentlich ist, wenn wir noch einmal zurückkehren auf Parkinson. Den Parkinson-Patienten kann man schon auf unterschiedliche Weise noch helfen. Es gibt ja von Professor Bernardsky von der Universität in Salzburg eine sehr aufschlussreiche Forschungsarbeit, die mit Musik arbeitet. Also wir setzen auch bei den Parkinson-Kranken Musik ein. Das heißt also, wenn man seine Lieblingsmusik hört, dann beruhigt sich sein ganzes, physisches Dasein. Die Zittrigkeit reduziert sich und so kann er dann auch wieder leichter etwas bedienen? Und sonst ist natürlich die Usability und diese Devices, also welche Geräte in welcher Größe kann ich ihm zur Verfügung stellen? Was ist da in seiner Eingeschränktheit, was ist da notwendig? Also die Usability spielt da natürlich eine sehr große Rolle!

Dominik Flener: Wenn ich dich aber richtig verstehe, auch das, was du vorher gesagt hast, ist aber eines in diesem ganzen Adherence-Prozess ganz wichtig, vor allem auch die Selbstorganisation des Patienten eigentlich zu fördern. Weil wir haben ja auch einmal in einem anderen Gespräch gesehen, wenn ich Programme entwickelt habe, sind in der Vergangenheit oft Dinge entwickelt, wo dann der Arzt und der Patient, mit viel Arbeit für den Arzt, verbunden gewesen sind. Und die Ärzte sagen: „Na wann soll ich das machen?" Mit der zweiten Frage: „Wer zahlt es mir eigentlich?" Das heißt, wenn ich dich jetzt auch richtig verstehe, geht der Trend noch stärker dahin, dass Dinge entwickelt werden müssen, die wirklich den Patienten in der Selbstorganisation helfen? Kannst du mir das noch einmal bestätigen bitte?

Gerhard Feilmayr: Das kann ich voll und ganz bestätigen! Weil auch Programme, das kann ich gar nicht verheimlichen und will ich gar nicht verheimlichen, auch gescheitert sind, weil wir diesen Prozess, also wie wir diese Plattform in den Markt hinein bringen, Richtung Patienten hinein bringen, eigentlich immer den Arzt jetzt im Mittelpunkt gesehen haben. Nur der Arzt ist in seiner Praxis völlig überfordert und der findet ja also kaum Zeit, oder gar keine Zeit, dass er jetzt den Patienten noch solche Applikationen erklärt. Unser Bestreben ist heute, dass wir direkt den Patienten ansprechen. Und das geht heute über viele Möglichkeiten. Wir haben digitales Marketing, wir können die sozialen Medien, – was auch immer jetzt – einsetzen, um derartige Plattformen publik zu machen. Und das ist der bessere Weg. Und dann schließt sich der Kreis, dass wir eigentlich dann nicht mehr von einer Therapiebegleitung alleine sprechen, sondern eher von einer – wie du es genannt hast – von einer Selbstorganisation.

Dominik Flener: Wenn wir so ein bisschen in die Zukunft schauen – die Glaskugel stellen wir an dieser Stelle einmal bildlich vor uns auf – was wird sich aus deiner Sicht in dem Bereich tun? Was liegt da noch ein bisschen vor uns? Und was sind auch ein bisschen die To Dos, die vielleicht unsere Zuhörer aus der Industrie oder aus den Stakeholder-Bereichen haben, um da jetzt besser aufgestellt zu sein und auch die Programme sinnvoll umzusetzen?

Gerhard Feilmayr: Also ich denke, dass für uns alle gemeinsam – Industrie, Gesundheitsbehörde, Dienstleister, wie wir welche sind – ganz wichtig ist, dass wir uns jetzt die großen Krankheitsbilder vorerst einmal anschauen. Diese typischen Volkskrankheiten, die an sich jetzt schon schwer in den Budgets der Gesundheitssysteme hineingreifen. Altersdiabetes oder solche Dinge, wenn wir einmal von diesen Dingen sprechen. Dass wir uns diese Patientengruppen genau anschauen und dass wir für diese Patientengruppen wirklich maßgeschneiderte Begleitsysteme und Motivationssysteme und Selbstorganisationsapplikationen entwickeln. Das wird einmal der eine, ganz wichtige Weg sein.

Und der zweite wichtige Weg, den würde ich jetzt da auch noch einmal in den Raum stellen. Wir hören jetzt, gerade in diesen Tagen wieder ganz aktuell „Ärztemangel". Eine ganz große Welle wird jetzt dann in einigen Jahren in die Pension wandern. Es rückt keine Jugend nach. Das ist einmal die eine Seite. Auf der anderen Seite haben wir natürlich jetzt sehr viele Krankheiten, sehr viele Volkskrankheiten. Alles, was mit den Zivilisationskrankheiten zu tun hat. Und jetzt wird es schwierig werden, dass ich wirklich ein gut funktionierendes Gesundheitssystem habe. Und dann denke ich auch an die Ausdünnung in den ländlichen Bereichen, wo dann wahrscheinlich gar keine Ärzte mehr sind. Fachärzte schon überhaupt nicht mehr. Und jetzt wird auch die Kommunikation sehr schwierig. Wie sollte es dann funktionieren? Wenig Ärzte, viele Patienten, Überalterung ist jetzt auch noch ein Stichwort, ja? Immer älter werdende Menschen, die immer irgendwelche Gesundheitssorgen haben. Aber jetzt müssen wir uns auch Gedanken machen, wie kommunizieren die in der Zukunft? Und das kann jetzt nicht mehr nur die Kommunikation in der Praxis funktionieren. Also ich glaube auch hier – und wir denken hier schon einen Schritt weiter – dass wir also über gesicherte Videokonferenzen uns jetzt dringend Gedanken machen müssen.

Dominik Flener: Also die Digitalisierung wird sozusagen auch diese Projekte dann eigentlich stark vorantreiben, weil es um eine Entlastung des Systems geht. Und es geht um eine Entlastung auch für den Patienten, damit der, wenn der jetzt zu seinem Spezialisten will, nicht mehr stundenlang im Auto sitzen muss, wie du sagst, ländliche Gebiete. Ja klar, wenn ich in Wien sitze und ich wohne neben dem AKH ist es vielleicht leichter, aber natürlich in vielen Fällen, wenn ich im hohen Waldviertel wohne – so schön es dort ist – aber das ist genau das Thema.

Gerhard Feilmayr: Da kann ich jetzt noch ein Beispiel vielleicht dazu geben, wenn die Zeit jetzt noch ausreicht. Wir arbeiten jetzt mit der Charité gemeinsam ein Projekt aus, ein aktuelles Projekt für die Asthmakranken. Die Charité hat das Problem, vor allem jetzt in diesen östlichen Teilen von Deutschland, dass eben dieser Facharztmangel, der ist eigentlich schon vorhanden. Die Patienten – wir haben da jetzt ein bisschen einmal uns durchsehen, wie weit die Entfernungen von solchen Patienten sind zur Charité. Und die reichen bis zu 300 Kilometern. Das heißt, ein Asthmapatient im Osten von Deutschland muss unter Umständen 200 bis 300 Kilometer in die Klinik fahren, damit er seine monatliche Therapie erhält. Und wir arbeiten hier an einem Programm, auch gemeinsam mit der Industrie, dass wir nach Möglichkeiten suchen, um den Patienten und dem Arzt Möglichkeiten, Tools in die Hand zu geben, dass die Kommunikation vereinfacht wird und dass viele Dinge fernüberwacht werden können. Und ich glaube, dort liegt die Zukunft. Dass es eine gewisse Fernüberwachung gibt, dass die Rhythmen des physischen Besuches weniger werden und dass der Arzt immer ein bisschen die Kontrolle über den Patienten hat bzw. auch umgekehrt, der Patient sich über diese Applikationen auch selbst ein bisschen kontrollieren kann.

Dominik Flener: Ja sehr gut! Dann würde ich sagen, Gerhard, vielen herzlichen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, uns einen kleinen Einblick zu geben! René?

René Neubach: Ja, vielen lieben Dank und alles Gute bei den weiteren Unternehmungen in diesem Jahr, in diesem noch jungen Jahr. Wir bedanken uns fürs Zuhören, wie immer, wünschen noch unseren Zuhörern alles Gute fürs neue Jahr und sagen vielen Dank fürs Zuhören und bis nächstes Mal!

Dominik Flener: Ja, bis zum nächsten Mal!

Gerhard Feilmayr: Wiedersehen!

Outro: Das war die aktuelle Ausgabe von R&D on Patients. Vielen Dank fürs Zuhören! Wie immer freuen wir uns über Fragen, Kommentare und Anregungen. Und natürlich freuen wir uns auch, wenn Sie uns weiterempfehlen. Bis bald!